2.5.2022: Zur Abstimmung über den Frontex-Ausbau
Mit Frontex geht es um die Menschenrechte
Manche Staaten legen keinen grossen Wert auf die Einhaltung der Menschenrechte. Dem entsprechend verstossen Grenzbehörden gegen das Recht eines jeden Menschen, Asyl zu beantragen. Flüchtlinge werden beraubt, gedemütigt, misshandelt und manchmal bei Lebensgefahr in die offene See oder in undurchdringliche Wälder zurückgedrängt. Die 2004 gegründete
Bild: Eine Frontex-Drohne zur Überwachung der Ägäis
Mit Frontex geht es um die Menschenrechte
Flüchtende Menschen sind nicht auf einer Ferienreise. Sie haben nicht zum Spass alles verlassen, was ihnen Sicherheit und Halt gibt. Und sie können auch nicht nach Belieben in ihre Heimat heimkehren. Weg von ihren Lieben, entwurzelt in unbekannter Umgebung, fragen sie sich, wo sie am ehesten Chancen für einen Neuanfang finden. Es gibt viele verschiedene Gründe, die jemanden dazu bringen, ein bestimmtes Land als Zielland zu wählen. Viele orientieren sich an Verwandten und Bekannten, die schon dort sind. Das Dublin-System macht es Vielen schwer und führt unnötigerweise zu verlorenen Lebensjahren, in denen Menschen gezwungen werden, sich in einem Land aufzuhalten, das sie nur durchqueren wollten.
Noch schlimmer wirkt sich die generell abweisende Grenzpolitik auf die Menschen aus, die an den Aussengrenzen des europäischen Schengenraums ankommen. Manche Staaten legen keinen grossen Wert auf die Einhaltung der Menschenrechte. Dem entsprechend verstossen Grenzbehörden gegen das Recht eines jeden Menschen, Asyl zu beantragen. Flüchtlinge werden beraubt, gedemütigt, misshandelt und manchmal bei Lebensgefahr in die offene See oder in undurchdringliche Wälder zurückgedrängt.
Die 2004 gegründete europäische Grenzschutzagentur Frontex beobachtet diese absolut verabscheuungswürdigen Taten, ohne sie zu verhindern. Ja sie verstärkt dieses Problem noch, indem sie mit ihrem Hig-Tech-Überwachungssystem den nationalen Grenzschutzkorps Position und Bewegung der Flüchtlinge mitteilt, welche ihrerseits immer effizienter Zugriff auf die Geflüchteten erhalten – was ja erfreulich wäre, wenn es den Grenzbehörden tatsächlich um die Rettung der Menschen aus Lebensgefahr ginge.
Nun kommen immer mehr Berichte an die Öffentlichkeit, die zeigen, wie, und beweisen, dass Frontex selbst an zahlreichen Pushbacks aktiv beteiligt ist. Der Direktor von Frontex, der seit zwei Jahren behauptet, Frontex habe keine Informationen von illegalen Behandlungen von Migrant*innen, ist am 28. April 2022 von seinem Posten zurückgetreten.
Angesichts der gravierenden Angriffe auf die Grundrechte hat die Seite der Befürworter*innen des kommentarlosen Frontex-Ausbaus keine inhaltlichen Argumente. Ihre einzige Hoffnung ist die Angst der Schweizer Stimmbevölkerung, die Schweiz könne mit einem „Nein zu Frontex‟ aus dem Schengenraum ausgeschlossen werden. Und dann behaupten sie noch, die Schweiz dürfe sich nicht aus der Mitverantwortung für den Schutz der europäischen Grenzen ziehen.
Doch gerade, weil sich die Schweiz nicht einfach aus der Mitverantwortung herausnehmen kann, darf sie nicht kommentarlos ein System unterstützen, welches einer grundlegenden Transformation bedarf.
Die europäische Organisation zum Schutz der Grenzen muss zu dem umgebaut werden, wozu sie gemäss den Deklarationen gebaut wurde: Dass nämlich den dort ankommenden Menschen das Grundrecht auf das Stellen eines Asylgesuchs auf menschenwürdige Weise gewährt wird.
Mit einem „NEIN zur Frontex‟ am 15. Mai, kommuniziert die Schweiz gegenüber der EU, dass sie den auch in der EU erkannten fundamentalen Klärungs- und Umstrukturierungsbedarf gutheisst, und nicht bereit ist, an das aktuelle System 61 Millionen Franken pro Jahr zu bezahlen.
Christoph Albrecht, JRS-Schweiz
Weiterführende Dokumente, Statements und Überlegungen:
Andreas Fischer-Lescano und Timo Tohidipur, Europäisches Grenzkontrollregime. Rechtsrahmen der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX: Sie bemängeln die fehlende Rechtsgrundlage für Frontex und die vielen offenen Fragen, wie mit einer solchen Konstruktion, die Grundrechte eingehalten werden können, schon 2007. Die jüngsten Berichte über Menschenrechtsverletzungen bestätigen alle diese Bedenken: https://www.zaoerv.de/67_2007/67_2007_4_b_1219_1276.pdf
Frontex selbst bestätigt, dass sie keine Verantwortung übernimmt:
«Frontex übernimmt die Verantwortung für seine Aktivitäten und benachrichtigt, sobald ein Bericht über einen schwerwiegenden Vorfall registriert wird, die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten. Es ist wichtig, hinzuzufügen, dass Frontex keine Befugnis hat, die Handlungen der nationalen Behörden zu untersuchen. Frontex unterstützt sie bei der Durchführung von Grenzkontrollen, aber wir handeln immer unter dem Kommando der nationalen Behörden, die in erster Linie für den Grenzschutz zuständig sind. Der EU-Gesetzgeber hat Frontex, wie aus der Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache deutlich hervorgeht, keine Ermittlungsbefugnisse für Vorwürfe wie die von Ihnen angesprochenen übertragen.» (Aus der Stellungnahme von Frontex und der griechischen Küstenwache, Zugang über: https://www.republik.ch/2022/04/27/inside-frontex-die-geheime-datenbank-der-eu?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=republik%2Ftemplate-newsletter-taeglich-20210428-nldonnerstag)
Justitia et Pax der Schweizer Bischofskonferenz, deutet die Komplexität der einseitigen Konstruktion an und mahnt unbedingt den Schutz der Schwächsten: https://www.bischoefe.ch/grenzschutz-braucht-fluechtlingsschutz/
Ebenso Humanrights: https://www.humanrights.ch/de/ueber-uns/stellungnahmen/stellungnahme-frontex-referendum
Auch Caritas lehnt eine Beitragserhöhung an Frontex ab. Caritas Schweiz, Medienmitteilung vom 12.4.2022: https://www.caritas.ch/fileadmin/user_upload/Caritas_Schweiz/data/site/was-wir-sagen/medien/mediencommuniques/2022/09_mc2022_Caritas_Frontex_d_01.pdf
Eva Meienberg, «Jesus könnte einer der Geflüchteten sein», Artikel über Nicola Neider Ammann, Leiterin des Bereiches Migration und Integration der Katholischen Kirche Stadt Luzern: https://www.kath.ch/newsd/jesus-koennte-einer-der-gefluechteten-sein/
Abstimmungsempfehlung von GRÜNE Schweiz, Nein zum Frontex-Ausbau: https://gruene.ch/abstimmungsempfehlung/nein-zum-frontex-ausbau