31.10.2023: Gemeinsame Erklärung der Jesuiten-Flüchtlingsdienste in Europa
Besser kein Pakt als einer, der Menschenrechtsverletzungen vorsieht!
«Wir fordern das Europäische Parlament und den Rat der EU nachdrücklich auf, einen Plan aufzugeben, der nicht nur keine wirklichen operativen Lösungen für die Mängel des bestehenden Systems bietet, sondern auch schädlich für Migranten und Flüchtlinge wäre."
Am 24. und 25. Oktober 2023 trafen sich die Leiter von 23 JRS-Länderbüros in Brüssel zum halbjährlichen regionalen Koordinierungstreffen des JRS Europa, um Erfahrungen auszutauschen und aktuelle Entwicklungen zu diskutieren. Dabei standen die Verhandlungen über den EU-Pakt für Migration und Asyl im Mittelpunkt.
«Wir sind sehr besorgt über den Verlauf der Verhandlungen» erklärten die JRS-Direktoren gemeinsam. «Da die Verhandlungen in die letzte Phase eintreten, befürchten wir, dass die EU-Institutionen unter dem Druck, noch in dieser Legislaturperiode eine Einigung zu erzielen, Kompromisse bei den Menschenrechten und den Werten der EU eingehen werden.
«Wir fordern das Europäische Parlament und den Rat der EU nachdrücklich auf, einen Plan aufzugeben, der nicht nur keine wirklichen operativen Lösungen für die Mängel des bestehenden Systems bietet, sondern auch schädlich für Migranten und Flüchtlinge wäre.»
Es wird immer schlimmer…
Der JRS hat den EU-Pakt für Migration und Asyl seit seiner Veröffentlichung kritisiert. Die Organisation hatte sofort Bedenken geäußert, dass der Schwerpunkt auf obligatorischen Grenzverfahren liegt, die in der Regel mit (faktischer) Inhaftierung und einer allgemeinen Verringerung der Verfahrensgarantien für Asylbewerber einhergehen.
Der JRS hatte auch in Frage gestellt, wie der Plan, die Mehrzahl der Asylanträge an der Grenze zu prüfen, das Problem der hohen Arbeitsbelastung der Mitgliedstaaten an den Außengrenzen operativ lösen würde, insbesondere in Ermangelung eines wirklich verbindlichen Solidaritätsmechanismus.
Nichtsdestotrotz hat sich der JRS sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene aktiv und konstruktiv mit den EU-Institutionen auseinandergesetzt, indem er Beiträge und Vorschläge lieferte, die auf unseren Erfahrungen mit der Begleitung von Asylsuchenden vor Ort basierten.
…und schlimmer…
Die Positionen, die das Europäische Parlament und der Rat der EU schließlich eingenommen haben, haben die ursprünglichen Vorschläge der Kommission jedoch nicht wesentlich verändert.
Im Gegenteil, viele der für JRS wichtigsten Punkte, wie das Verbot der Inhaftierung von Kindern, der Ausschluss von schutzbedürftigen Personen von Kontrollen und anderen Verfahren an den Grenzen oder die Bereitstellung von kostenlosem Rechtsbeistand während des gesamten Asylverfahrens, wurden nicht ausreichend berücksichtigt.
Darüber hinaus wurden einige neue, besorgniserregende Konzepte in die Diskussion eingebracht, wie z.B. die Möglichkeit, im Falle der «Instrumentalisierung» von Migranten durch Länder außerhalb der EU vom regulären Asylverfahren abzuweichen.
Insgesamt bilden die vorgeschlagenen Maßnahmen einen Nährboden für migrantenfeindliche und fremdenfeindliche Stimmungen.
Jetzt, wenige Monate vor dem Ende der Legislaturperiode, befürchtet der JRS, dass der Druck, die Reform zu Ende zu bringen, über die Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte und der EU-Werte siegen wird.
Gleichzeitig erleben die JRS-Büros eine noch nie dagewesene Nachfrage nach Dienstleistungen und Unterstützung. Überall in Europa werden die Aufnahme- und Lebensbedingungen verschlechtert. In einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten fanden sich Antragsteller auf internationalen Schutz auf der Straße wieder, ohne dass der Staat ihnen eine Unterkunft angeboten hätte, was einen Verstoß gegen die Richtlinie über Aufnahmebedingungen darstellt.
Noch ist es Zeit für eine Wende zum Schutz der Menschenrechte
Der JRS fordert das Europäische Parlament und den Rat der EU auf, eine Kehrtwende zu vollziehen und jeden Plan abzulehnen, der eine weitreichende Anwendung von Grenzverfahren erzwingen und die Menschenrechtsverletzungen und den Druck auf die Mitgliedstaaten an den Außengrenzen nur verstärken würde.
Die Energie und die Anstrengungen sollten vielmehr in die Stärkung der Aufnahme- und Asylsysteme im Hoheitsgebiet und in Mechanismen für eine sinnvolle Aufteilung der Verantwortung zwischen den Mitgliedstaaten fließen.